Durch die Flammenwüste zur Edelsteinhöhle aus Dinosaurierknochen

Das war heute das Hauptthema im Kinderzimmer. Nein, nicht in unserem, wir haben ja keines, also noch nicht. Unser Patensohn Mike ist 7 geworden.
Macht sich auf diese Weise nicht auch die eigene Vergänglichkeit und sowieso die Endlichkeit aller Dinge bemerkbar, durch den halben Kopf, den Patenkinder jedes Mal in die Höhe geschossen sind, wenn man sie nach ein paar Monaten mal wieder sieht? Ja, vielleicht. Oder vielleicht auch durch die vielen Corona-Toten seit mehr als einem Jahr. Hoffentlich wird’s bald Sommer.

Mehr als ein Jahr ist übrigens auch mein letzter Eintrag her, das kleine Lebenszeichen im Dezember mal ausgenommen. Dennoch gibt es hier auf dem Blog noch Tausende Besucher jeden Monat, ich bekomme immer noch auf diversen Kanälen Zuschriften zu meiner Genesungs-Dokumentation, mittlerweile aus aller Welt. Nicht zuletzt deswegen ist ein kurzes Update diesbezüglich mehr als überfällig. Und ein bisschen auch, um die mögliche Schande eines ganzen Jahres ohne einen Blogeintrag jetzt schon abzuwenden. Ist immerhin schon März, das Jahr fliegt dahin.

Also, direkt vorweg, ich bin gesund. Sogar richtig gesund, meine Blutwerte der NU7 (die siebte Nachuntersuchung, mittlerweile nicht mehr im Turnus eines Viertel-, sondern eines halben Jahres) lesen sich wie aus dem Lehrbuch. Hätte ich vor zwei Jahren auch nicht dran geglaubt. Bisher waren aber alle NU’s zufriedenstellend, wenn auch mit einem kurzen Holperer. Nach der NU6 wurde ich wie immer nach der Blutabnahme nach Hause geschickt, „wenn Sie nichts mehr von uns hören, passt alles“. Wir also guter Dinge raus ins Grüne, also den Zabowald hier, danach rein ins Blaue, also den Mix-Markt in Langwasser. Gurken kaufen. Als wir abends nach Hause komme, schließe ich die Tür auf, blicke zum Sideboard, sehe das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinken und höre im selben Moment mein Herz auf dem kalten Boden aufklatschen. „Erlanger Nummer“, sagt Olga, und ich weiß natürlich, das kann nur die Uniklinik sein. Beim Rückruf wird mir erklärt, zwei Blutwerte wären etwas auffällig, zur Sicherheit doch noch mal ein CT. Machen wir nächste Woche einen Termin aus. „Scheisse, bestimmt wieder Krebs. Und ich Depp kauf Salzgurken“, denke ich. Ich erzähle es Olga, wir liegen uns in den Armen und weinen. Eine ganze Weile.

Die nächste Woche erlebe ich wie in Trance. Keine Ahnung mehr, wie wir die Tage rumgebracht haben, und erst recht keine Ahnung, wie wir das damals, 2018, mehrere Monate von erstem Verdacht bis zum Therapiebeginn durchgehalten haben. Geht halt dann doch weiter, immer, irgendwie. Schlechter Trost.
Morgens CT, bis zum Nachmittag keine Rückmeldung. „Noch kein Rückruf, bestimmt bin ich wieder krank, die beraten sich schon wie es weiter geht“, sage ich zu Olga. Ich rufe jetzt selbst an. Besser gesagt, Olga zwingt mich, ich denke bei sowas immer, solange ich nichts negative weiß, ist es noch nicht eingetroffen. Auch keine gute Lebensweisheit. „Oh hallo, ja, sorry…Moment..ich muss hier nur kurz…viel zu tun, da bin ich noch nicht dazu gekommen“, sagt mein Arzt am Telefon. Ärzte am Telefon sind unerträglich übrigens. Klingen immer neutral. Zum Einstieg des Gesprächs ließe sich nicht heraushören, ob man von einer Operation völlig genesen ist oder nur noch wenige Tage zu leben hat. Machen die sicher mit Absicht. „Sooo, da bin ich…entschuldigen sie…geht drunter und drüber hier, ich wollte sie ja schon…also ja, das CT ist sauber, alles wunderbar. Die Werte? Ja, das waren wohl nur Ausreißer, das passiert schon mal. Also dann, Tüdelü!“ Ob es ‚Tüdelü‘ oder ‚Auf Wiederhören‘ war, kann ich nicht mehr genau sagen, wir weinen schon wieder.

Soviel zur NU6. In der NU7 letzte Woche wurden besagte Blutwerte dann eben noch einmal kontrolliert, alles wieder im Normalbereich. Eine Sturzsenkung sorgte übrigens für diese Höllenwoche, also ein starker Anstieg der Blutsenkgeschwindigkeit (BSG) sowie ein erhöhter  Laktatdehydrogenase-Wert (LDH, ein Indikator für absterbende Zellen im System). Kann aber durch Entzündungsreaktionen aller Art ausgelöst werden. Durch meine ganze Vorgeschichte ist da aber eben Aufhorchen angesagt. Ist ja auch ok. Und eine schlagartige Erdung wars allemal. In Sekundenbruchteilen vom Alltag in den Notlaufmodus. Naja. Jetzt wieder zurück im Alltag. Wieder etwas mehr aware, hat auch was Gutes. NU8 im Sommer.

Bis dahin folgt: eine Abarbeitung meiner wachsenden Sammlung an mildly interesting Gedanken und überflüssigen Beobachtungen. Die wichtigen Dinge des Lebens. Tüdelü.