Tatsache, zwei Wochen ist der letzte Eintrag schon her. Verärgerte Leser machen ihrem Unmut Luft. Naja, so schlimm nicht ganz. Aber ja, hab’s schleifen lassen. Muss auch mal sein. Was gibt es Neues?
Bestrahlung hat begonnen, bereits eine von insgesamt drei Wochen sind geschafft. Nebenwirkungen bis jetzt keine. Bin nur hier und da etwas hüstelig, was Olga sehr nervt aber sonst nicht weiter stört. Also mich. Wir sind viel bei Familie und Freunden und genießen das Wetter bei Pizza, Gemüsepfanne, etwas, das sich Kumpir nennt bei Julia in Regensburg und viel Kaffee und Kuchen.
Durchaus erwähnenswert ist der tägliche Ablauf der Bestrahlung. Gleichermaßen beruhigend und angsteinflößend. Zunächst einmal schon skurril und zugleich praktisch: Patienten bekommen eine Chipkarte und melden sich am Terminal des Infoschalters an und ab wenn sie kommen und gehen. „Kommen sie gut nach Hause“, ertönt eine Computerstimme beim Abmelden und erinnert mich daran, dass der Fahrer den Caddy gleich wieder ohne Rücksicht auf Verluste und wie ein Gejagter über die A3 peitschen wird, während ich mir die Ironie ausmale, ganz wunderbar vom Lymphom geheilt zu sein, nur um dann bei Nürnberg-Nord irgendwo am Baum zu kleben. Aber praktisch ist das System, das auch unweigerlich an eine Stechuhr im Werk oder im Büro erinnert, durchaus.
Erfreulicherweise funktioniert das digitale Patientenhandling auch ganz ausgezeichnet, bis jetzt musste ich höchstens 10 Minuten in Wartebereich B warten, bevor ich aufgerufen wurde. In einer der vier Kabinen lege ich mein Zeug wie Schlüssel, Handy, Foto ab und nehme Handtuch und Terminplan-Heftchen aus der Tasche. Oberkörper frei und ohne Schuhe folge ich dann der überraschend attraktiven Assistentin durch einen kurzen Gang. Es riecht nach Eukalyptus und Lavendel und leise Harfenklänge liegen in der Luft. Ich komme mir tatsächlich vor wie im Spa und laufe also besagten Gang entlang, halbnackt mit Handtuch über der Schulter und freue mich auf den nächsten Aufguss. Dieser entpuppt sich leider als überdimensionaler Linearbeschleuniger und ich bin etwas enttäuscht. Aber auch schön, denke ich mir, und lege schon mal mein Handtuch auf die Liege, bereit zur Teilchen-Massage. Nachdem die hübsche Helferin und ihre durchschnittlichen Kolleginnen mich etwas exakter positioniert haben, wird per Laser ein Netz auf meinen Oberkörper geworfen und der Computer übernimmt. Alle verlassen hastig den Raum, daran merke ich, dass es gleich losgeht.
In einem kurzen Scan wird (so schätze ich mal) meine Lage exakt erfasst und die erforderlichen Bewegungen des Kopfes des LINAC (engl. linear accelerator) errechnet, bevor dieser einmal über meiner Brust im Halbkreis um mich herum und wieder zurück fährt und dabei Geräusche macht wie Skrillex feat. GLaDOS aus Portal 2. Interessanterweise werde ich nicht nur in 3 (x, y, z), sondern in 4 (t [Zeit]) Dimensionen bestrahlt, da sich die Lage des Tumors ja mit meiner Atembewegung ständig ändert und der Strahlengang bzw. dessen Intensität somit quasi live moduliert werden muss. Good times of our lives.
Tja, und nach sage und schreibe 2 Minuten ist die Session vorbei. Anziehen, neuer Termin für den nächsten Tag, ausloggen („gut nach Hause!“), rein in Mahmuts weißes Geschoss und ab auf die Autobahn. Die Fahren sind hier tatsächlich das Längste und nach insgesamt einer Stunde bin ich wieder zuhause und kann endlich diesen Eintrag schreiben, bevor ich mich über die Reste des Kuchens hermache.