Kategorie: Tagebuch

Tagebuch: 10.01.19

Verwahrlose scheinbar etwas. Mich stört es nicht. Kann mich gut ablenken daheim. So stelle ich zum Beispiel nach und nach alles an Haushaltsgeräten, Computerkram und sonstigem überflüssigen Unrat, der sich über die Jahre als gut gemeinte Geschenke oder Mitbringsel in allen Regalen und Schubladen auf Dachboden, im Keller und der Wohnung ansammelt, bei eBay Kleinanzeigen ein. Sogar schon bisschen Umsatz gemacht. Heute kam mittags eine junge Frau einen Artikel abholen. Die war ziemlich schnell wieder weg. Sehe jetzt ohne Haare und mit heller Haut auch recht autoritär aus. Was wiederum die Adidas-Jogginghose eigentlich aufheben sollte. Aber das leicht fleckige T-Shirt wars wohl. Kann sie ja nicht wissen, dass ich aufgrund der starken Medikation recht gereizte Schleimhäute habe und dadurch immer mal Nasenbluten bekomme. Dafür hat sie jetzt ein leicht gebrauchtes Siemens Gigaset AS285 für 10 Euro. Habe dann aber doch lieber wieder was dunkles angezogen.

Die letzten Tage waren sonst ganz erholsam und ich war viel an der frischen Luft. Nachts zwei Stunden immer wieder abwechselnd Krämpfe unten am Fuß und Olga, die mich anstupst, weil ich schnarche. Vielleicht hilft etwas Magnesium.

Tagebuch: 05.01.19

Heute nacht ziemliche Bauchschmerzen. Dazu Wärmflasche beim Befüllen ausgerutscht und die Leiste verbrüht. Ganz schön was geschafft. Wetter heute richtig mies, Pläne für ausgiebigen Spaziergang verschoben. Olga ist sauer, aber ich muss halt aufpassen. Erstmal auf die Couch.

Tagebuch: 04.01.19

Schreibe jetzt auch kurze Einträge vom Iphone aus. Bequemlichkeit ist Trumpf, durch die viele Zeit daheim versuche alle möglichen Prozesse zu optimieren, vereinfachen, entschleunigen. Überflüssig aber macht Spaß.

Zudem wird die Wohnung immer schicker da mir ständig was neues einfällt zur Einrichtung.

Mittlerweile die Hälfte des zweiten Zyklus geschafft, gestern wie immer in der zweiten Woche des Zyklus das Vincristin gespritzt bekommen. Mögliche Komplikation Lungenfibrose und das wars dann. Darf man gar nicht drüber nachdenken. Aber kann überall alles passieren, also was solls. Geht mir den Umständen entsprechend gut. Ohne akute Chemo die den Körper zerballert wirkt diese Woche vor allem das Kortison und lässt mich nicht schlafen. Ab und zu etwas Bauchweh, vielleicht vom Ciprofloxacin gegen bakteielle Infekte. Aber Novalgin und Pantoprazol regeln. Ein buntes Potpourri an Medikamenten. Hab aber auch einen Apfel gegessen, zum Ausgleich.

Tagebuch: 01.01.19

Olga sagt, ich soll doch nicht immer so neutral sein. Ich bin doch kein Gegenstand.

Tagebuch: 27.12.18

Entgegen meiner Befürchtungen habe ich mich in der letzten Woche schon fast sensationell erholt. Quasi alle Nebenwirkungen sind langsam abgeklungen. Keine gereizten Schleimhäute, Verdauung ok, Hunger gut, wieder 2kg zugenommen, Schlaf auch besser. Weihnachten war tatsächlich eines der schönsten der letzten Jahre. Stimmt schon, durch solch einschneidende Ereignisse weiß man plötzlich gerade die einfachen, banalen Dinge mehr zu schätzen. Erstmal Facebook von allen Mobilgeräten gelöscht. Zurück zu einfachen Sachen. Ein Buch lesen, Blog schreiben. Werde weich. Fühlt sich aber richtig an.

Während ich hier schreibe und dabei immernoch Weihnachtslieder höre um den unglaublich nervigen Patienten im Behandlungszimmer auszublenden, der zum fünften Mal allen anderen Patienten, Schwestern und Ärzten von seinem neuen Motorrad erzählt, das er ja so günstig ergattert hat, währenddessen läuft bereits die nächste Ladung Chemo und der zweite Zyklus BEACOPPesk beginnt. Spätestens heute Abend bin ich wieder total platt für die nächsten zehn Tage. Aber immerhin mit der Gewissheit, dass nach dem Tief wieder ein Hoch kommt. Vielleicht gehe ich sogar nochmal in den Wald später. Einfache Dinge.

Tagebuch: 21.12.18

Zwinge mich zur Weihnachtsstimmung, was mit viel Gedudel im Radio und kiloweise Kokoksmakronen erstaunlich gut klappt. Nebenwirkungen vom ersten Zyklus werden weniger, nehme in der dritten Woche ja nur noch alles möglichen gegen Bakterien, Viren und Pilze. Kopf wird etwas ruhiger ohne Cortison, dafür setzen aber wieder Schmerzen hier und da ein. Hinnehmbar, alles auf einmal geht halt nicht. Immerhin tut die Neulasta-Spritze was sie soll und meine Leukoyzten sind von 350 auf 22.000 geschossen. Kann also wie geplant weitergehen nächste Woche. Bis dahin ist eigentlich nur möglichst viel essen geplant, da kommen mir die Feiertage ganz gelegen.

Tagebuch: 18.12.18

Heute relativ gut und fit gefühlt. Aber Knochenschmerzen wie ein alten Mann. Leukozyten immerhin wieder bei 5000. Langer Spaziergang hat gut getan und das sonnige Wetter hebt die Stimmung.

Tagebuch: 16.12.18

Erster Schnee das Jahres. Ohrensausen beim Aufstehen. Den ganzen Tag bei der Familie verbracht, Rouladen, Nudeln, Plätzchen, viel Tee. Schaffe 3 Liter am Tag. Zudem leichte Knochenschmerzen durch die Filgrastrim-Spritze, die die Bildung neuer Leukozyten anregt. Eigne mir zunehmend ganz gutes Fachwissen an. Könnte ich aber auch drauf verzichten.

Tagebuch: 15.12.2018

Zwei Wochen rumgebracht. Nicht viel angesichts kommender Herausforderungen, aber irgendwie, von Tag zu Tag, gehts es weiter. Habe gerade in den ersten Nächten unter Einfluss der Chemotherapie viel Verrücktes geträumt. Von Chinesen und einem Hotel und Karl Lagerfeld, der jetzt Onkologe ist und mir bescheinigt, wieder ganz gesund zu werden. Aber das scheint wohl so zu sein. Immerhin schlafe ich ganz ok, wenn auch meist nur im Takt von 2 Stunden. 90mg Prednisolon am Tag knallen einfach ohne Ende und machen mich unruhig und depressiv.

Komme gerade von einem Spaziergang und fühle mich recht gut. Die Lethargie und das Nichtstun sind für mich größere Belastungen als die physischen Nebenwirkungen glaube ich. Ablenkung ist alles und ich versuche in kleinen Etappen kleine Projekte umzusetzen. So haben wir angefangen, das Esszimmer zu streichen. Schaffe eine viertel Wand und lege mich dann eine Stunde hin. Bin zufrieden mit dem Schnitt.

Bin noch gar nicht sicher wie es hier mit den Texten weitergeht. Schwanke zwischen vollständiger Löschung und detailliertem Tagebuch mit Hintergrundinfos, Tips und wirren Anekdoten. Vielleicht auch ein Mittelding.

Tagebuch: 07.12.18

Morgens Magenstechen. Unruhig geschlafen, wie gerädert aufgewacht. Wieder ins Krankenhaus, Chemo, wieder heim. Unterhalte mich mit einem anderen Patienten, anstrengend aber interessant. Kann nicht einordnen ob er Ahnung hat oder so tut. Allerdings kommen Professor und Oberarzt direkt zu ihm und alle fachsimpeln über Blutwerte und komplizierte Transfusionen. Also wohl eher ein Kollege. Er erzählt von Italien und München und das das eigentlich schlimme ist, das Rauchen aufzuhören, nicht, damit anzufangen. Schwindelig nehme ich einen Schluck Wasser und nicke. Er hat deutlich mehr Beutel angeschlossen als ich, und auch die Ärzte klingen ernster bei ihm. Redet aber viel und munter, was mich gleichzeitig nervt und aufbaut. Die letzten Tage hätte er sich schon mal überlegt, einfach Schluss zu machen. Ich sage, ich auch. Aber es geht halt mal so, mal so.

Dazu Probleme mit den Ohren. Höre mich selbst oft beim Atmen und Sprechen. Autophonie. Belüftungsstörung der eustachischen Röhre. Können tausend Sachen sein, auf jeden Fall kommt es durch die Chemo öfter. Sammle jetzt seltene Erkrankungen.

Erstmal etwas an die frische Luft.

Tagebuch, 06.12.18

In der ersten Nacht ganz gut geschlafen. Früh schnell was kleines gegessen und als der Taxifahrer klingelt, hastig die zum Glück schon gestern sortierten Medikamente für den Tag eingeworfen. Wie eine Handvoll bunter Gummibärchen. Viel Verkehr nach Erlangen, brauche fast 45 Minuten. Werde aber zügig versorgt. Nur ein Beutel, dazu Spülung. Bin vor 11 Uhr fertig und fahre wieder nach Hause. Körper geht, Kopf schwimmt. Kann mich für nichts begeistern. Das miese Wetter tut sein übriges.

Hunger geht, Geschmack lässt aber nach. Fernsehen und Radio in jedem Zimmer lenkt mich etwas ab von der Erschöpfung. Ein paar kleine Besorgungen. Brauche jetzt weiche Zahnbürsten und Mundschutz.

Tagebuch: 05.12.18

Hektik am morgen. Kurzerhand noch einmal zur Kryokonservierung um 8 Uhr. Sehe hier immer wieder junge Männer mit verunsicherten Gesichtern. Viele Geschichten, Schicksalsschläge. Ich erledige was zu tun ist und gehe direkt in die Ambulanz für den ersten Infusionstag. Auf dem Weg dahin noch eine Telefonkarte für WLAN besorgt. 1€ pro Tag, ganz in Ordnung aber organisatorisch zu umständlich. Karte an der Anmeldung holen, Karte aufladen, Service buchen. Aber erstmal eingerichtet funktioniert immerhin alles.

Bekomme 3 Beutel Chemo und dazu Schutz für Blase und viel NaCl- Lösung zum spülen. Geht zügig voran, werde um 10 angestochen und bin um 14 Uhr fertig. Bin etwas benommen und abgeschlagen. Alles was ich eingenommen habe, beginnt langsam zu wirken. Olga holt mich ab und wir essen daheim recht früh zu abend. Beide platt vom Tag.

Noch viele Gedanken, bin aber zu schwach mich zu konzentrieren. Notizen helfen. Kurz ein paar Minuten raus, die kalte Luft des Waldes einsaugen.

Tagebuch: 04.12.18

Heute den ganzen Tag Regen, nur nachmittags klart es kurz auf. Bin soweit fit aber etwas benebelt, was aber nicht groß stört. Habe eh nicht viel zu tun außer ein paar Telefonate. Versuche mich so gut es geht durch Hausarbeit abzulenken, was auch funktioniert und den Vorteil hat, dass es aussieht wie geleckt. Stunden damit verbracht, das BlackBerry aus der Arbeit zu aktualisieren. Lächerlich umständlich. Verstehe gar nicht, wer solche Geräte freiwillig benutzt.

Etwas Post verschickt, ein paar Rahmen im Büro deponiert. Ungewiss wie es da weitergeht. Herrliche Lage, ein wunderbar freies Arbeitsgefühl. Aber jetzt erstmal wieder gesund werden. Schon mal alles gepackt, morgen bekomme ich einen vollständigen Therapie- und Medikationsplan. Mit was man sich alles auseinandersetzen muss. Gewöhnungsbedürftig aber machbar schätze ich.

Tagebuch: 03.12.18

Aktuell nehme ich 40mg Kortison täglich, dazu Pantoprozol als Magenschutz. Vorbereitung auf die Therapie. Beginn ist übermorgen, also am Mittwoch. das Dexamethason alleine hilft schon sehr gut. Keine Schmerzen, kein Husten, kein Zwicken oder Zwacken. Dafür bin ich recht aufgekratzt und habe ab und zu Schluckauf. Außerdem geht es langfristig auf Muskeln und Knochen. Aber in Anbetracht der Situation ist das das geringere Übel. Ohne Behandlung würde ich wohl einfach irgendwann sterben. Das sagt man sich auch nicht alle Tage.

Haben heue mit Günter Matratzen im Ikea getauscht. Je zwei einzelne, eine mittelhart, eine hart, gegen eine große mittelharte. Nachdem ich einiges an Gewicht verloren habe, schlafe ich auf einer weicheren Matratze wieder besser. Zudem sind jegliche Varianten an Toppern und T-Stücken zum Verbinden zweier getrennter Matratzen einfach nutzlos.
Gab und gibt noch einige Dinge zu organisieren. Arbeit, Büro, Krankenkasse, Familie. Aber bin ganz gut aufgestellt und zuversichtlich. Immerhin laut Arzt eine Heilungschance von 90%. Ziemlich gut für Krebs.